Silverbergs in Deutschland

 

Ein integrierter Bericht von Kristin Hutschenreuther, EDM und Wilko Müller jr.

Wie wir in SX ankündigten, weilten Robert Silverberg und seine Frau Karen Lee Haber Silverberg vom 21. bis 25.5.97 in (Ost-) Deutschland. Eingeladen waren sie vom FKSF e.V. in Leipzig, der zusammen mit dem Dresdener Urania-SF Klub TERRAsse das Ereignis organisierte.

Dresden

berichtet von Kristin Hutschenreuther

Seit Oktober 96 stand nun fest, daß Robert Silverberg und seine Frau Karen Haber nach Leipzig und auch nach Dresden kommen sollten. Der bedeutendste (lebende) amerikanische SF-Schriftsteller persönlich. Schnell verbreitete sich bei uns die frohe Kunde, und jeder war begeistert, aber - das wars dann auch schon gewesen. Erst nach einem Mahnschreiben im Februar aus Leipzig besann man sich und startete förmlich durch. So wurden zunächst die Räumlichkeiten für den Vortrag organisiert. Die Wahl lag mehr oder weniger zwischen Jugendbibliothek und der zum Zeitpunkt der Veranstaltung neueröffneten Hauptbibliothek im World Trade Center. Letztere erklärte sich dann auch bereit, alles nötige zur Verfügung zu stellen und sogar die Werbung zu übernehmen. Mittlerweile begannen die meisten Mitglieder des TERRAsse-Clubs sich einen Silverberg-Roman nach dem anderen einzuverleiben und nach präsentierbaren Geschichten zu suchen. Weiterhin wurden Stadtinformationen gesammelt und teilweise auch zu Silverberg gesendet. Letztendlich wurde ein Programm für den Aufenthalt und den Abend erstellt. Etwas früher als erwartet, nämlich schon am Mittwoch, dem 21.5., kamen sie nun in Dresden an und fuhren im schönsten Nachmittagsstau ins Hilton Hotel (ebenfalls eine überraschende Änderung). Den Rest des Tages und den Donnerstag Vormittag verbrachten sie auf eigenen Wunsch damit, sich die Dresdner Innenstadt im Alleingang anzusehen. Erst am Donnerstag Abend, während die meisten von uns schon merklich aufgeregt in der Hauptbibliothek warteten, übernahm RPK den ersten Kontakt und fuhr unsere Gäste ins World Trade Center. Und plötzlich standen sie vor uns. Soweit wir wußten, sollte er ja ziemlich zurückhaltend, beinahe etwas mufflig sein, und von ihr wußte man so gut wie gar nichts.

Der erste Eindruck von ihm schien zunächst den Gerüchten gerecht zu werden, und seine Frau... nun sie war wohl das ganze Gegenteil und schenkte uns ein strahlendes Lächeln. Man könnte sagen, daß sie für uns das Eis gebrochen hat. Schnell begannen so die ersten kleinen Gespräche und man verlor die gegenseitige Scheu. Viel Zeit blieb uns aber nicht, denn es sollte doch um 20 Uhr die Lesung stattfinden. Mit einer Viertel Stunde Verspätung - für die, die zu spät kamen - ging es dann los. Zuerst hielt Frau Achtzehn von der Hauptbibliothek, die uns die ganze Zeit tatkräftig zur Seite stand, eine kleine Begrüßungsrede, und nach weiteren einleitenden Worten von RPK folgte ein kurzer Überblick über Silverbergs Leben und Schaffen, recherchiert von Robert und vorgetragen von selbigem und mir. Nun kam auch Robert Silverberg zu Wort, bedankte sich für die Einladung und bemerkte, daß Dresden, sowie ganz Ostdeutschland mehr oder weniger eine Art von Science Fiction für ihn waren, da er diesen Teil Deutschlands bisher nur als weißen Fleck auf der Karte kannte. Danach begann die eigentliche Lesung. Wie auch später in Leipzig wurde zunächst aus "König Gilgamesch von Uruk" vorgetragen. Den deutschen Part übernahm dabei RPK. Darauf folgte eine Diskussionsrunde, wobei Erik die englisch-deutsche und Frau Moss die deutsch-englische Übersetzung übernahmen, und eine deutsche Lesung der Kurzgeschichte "Der Tag an dem der Gründer starb" aus dem Buch "Ufer von Morgen". Beendet wurde die Veranstaltung mit einer weiteren Diskussionsrunde. Als einen der Höhepunkte der Diskussionen möchte ich dabei die Erklärung zu der Frage, was ihn nach längerer Pause in den 70igern dazu antrieb, weiter zu schreiben, hier aufführen. - Eines Tages besichtigte er ein Museum, in dem ausschließlich Bilder von Picasso ausgestellt waren, und stellte sich beim Betrachten dieser Bilder vor, daß Picasso vor ihm stünde und sagte "Du bist 40 und willst aufhören zu schreiben? Ich bin tot und arbeite immer noch!"

Nach der Verteilung einiger Autogramme verließ uns dann der Großteil der rund 30 Besucher, und die verbliebenen TERRAsse-Club Mitglieder machten sich auf den Weg in die Stadt, wo man sich mit Familie Silverberg noch zu einem kleinen Abendessen mit Schwatz traf. Dabei vereinbarte man eine persönliche Stadtführung am nächsten Tag.

Gegen 13 Uhr marschierten wir (zunächst Robert, Hanno und ich) ins Hilton ein und kurz darauf mit den Silverbergs in Richtung Semperoper. Nach einiger Wartezeit in einer schier endlosen Schlange und Berichten über amerikanische Cons, gelang es, uns einer Führung anzuschließen, die von einer drachenartigen, aber sehr kompetenten Frau geleitet wurde. Den Übersetzer spielte diesmal Robert, der sich tapfer durch den fachlichen Wust kämpfte. Sichtlich beeindruckt verließen wir die Oper, vor der bereits Varigg und Erik auf uns warteten. Nach einer Kaffeepause im Hilton ging es dann per Straßenbahn in Richtung Neustadt, ums genau zu sagen, zu Michael Stöhr.

Dieser hatte nach der Ankündigung des hohen Besuches die ganze Nacht damit verbracht, aufzuräumen, und zwar so, daß es uns geradezu in tiefes Erstaunen versetzte. Nach der Besichtigung von Michas Büchersammlung (das war der Anlaß des Besuches), räumte Michael dann vor fragenden Gesichter plötzlich zwei Sammeltassenservice heraus, kam kurz darauf mit einem Stapel Untertassen zurück und meinte "Ich wußte gar nicht, daß ich so etwas habe!" An dieser Stelle möchte ich Jules selbst gebackenen, noch handwarmen Kirschstreuselkuchen erwähnen, der mit großer Freude verzehrt wurde. Als es Abend war, wurden Robert Silverberg und Karen Haber zurück ins Hotel gebracht, denn am nächsten Tag sollte es zeitig nach Leipzig gehen.

Sonnabend früh trafen wir (diesmal Robert, Hutschi und ich) uns mit Robert und Karen im Hauptbahnhof und stiegen dort in den Zug nach Leipzig. Mittlerweile hatten wir uns untereinander regelrecht angefreundet und der zunächst doch eher schüchterne Robert Silverberg widersprach allen Gerüchten, die wir zuvor gehört hatten. Seine Frau trug dabei mit ihrer unendlich scheinenden Freundlichkeit eine Menge bei. Mir bleibt nur noch zu sagen, daß wir viel Spaß mit den beiden hatten, und es mich beruhigte zu sehen, daß die Leipziger anfangs nicht weniger nervös waren als wir.

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Leipzig

berichtet von Wilko Müller jr.

In Leipzig war Silverbergs Besuch mit dem traditionellen Buchmarkt verbunden worden, der am Vormittag des 24.5. stattfand. Wie üblich waren etliche Händler wie Reinhard Rauscher u.a. gekommen, Fans hatten ihre Stände im Haus des Buches aufgebaut. Ein Kuriosum am Rande war der Stand eines kirchlichen Verlages oder Autoren - der von den Anwesenden teils befremdet, teils belustigt betrachtet wurde. Diesmal war auch Alien Contact mit einem Tisch vertreten, sogar aus Schwerin kamen Abgesandte des dortigen Klubs, und auch aus den ferneren Bundesländern reisten Besucher an, z.B. EDM aus Lübeck und ein englischer Silverberg-Fan, der in Deutschland lebt. Vertreter von diversen Star Trek und Rhodan Klubs waren an Badges und T-Shirts zu erkennen. Es war wie ein kleiner Con, ganz wie erwartet.

Der Meister tauchte am frühen Nachmittag auf und war zunächst beim Duchstöbern der Bücherkisten zu beobachten. Gegen 15.00 Uhr begann dann die erste Lesung. Nach einer einstimmenden Computeranimation von Mario Franke, der kurzen Vorstellung durch den Clubchef Thomas Braatz und die zurückhaltende Moderation von Dirk Berger las Robert Silverberg einen kurzen Abschnitt aus "König Gilgamesch". Der Krimi-Autor Steffen Mohr las danach diesen und weitere Abschnitte aus der deutschen Ausgabe des Buches vor. Die Lesung erschien den meisten Anwesenden insgesamt als etwas zu lang, man konnte wohl den Einstieg in die folgende Diskussion kaum erwarten. Entgegen den üblichen Gepflogenheiten kamen dann auch sehr viele Fragen spontan aus dem Publikum von ca. 50 Gästen, der Moderator brauchte kaum auf vorbereitete Dinge zurückgreifen. Übersetzt wurde von einer Dame, die sich zwar redlich mühte, aber durch ihre Unkundigkeit in Sachen SF immer mehr in Schwierigkeiten geriet. (Sie hatte schon beim letzten Con Chr. Priest zu übersetzen versucht...) Nach der Lesung mußte Silverberg natürlich eine Menge Bücher signieren.

Um 17.30 Uhr war dieser erste Teil zu Ende, und die Fans hatten Zeit, etwas essen zu gehen. Nur die anwesenden Mitglieder des World Con Teams scharten sich um EDM, um eine Versammlung abzuhalten. Es sollte in einem Raum zur Unterhaltung noch die Video-Collage von Mario Franke laufen, aber ob das gemacht wurde, habe ich nicht bemerkt.

Kurz nach 20.00 Uhr gab es dann die zweite Lesung vor einem etwas gelichteten Publikum. Nicht Karen Haber las, sondern noch einmal Silverberg, diesmal aus "Das Land der Lebenden", der Quasi-Fortsetzung von "König Gilgamesch". Wie schon am Nachmittag las S. Mohr als deutsche Stimme. Noch einmal wurde ausführlich diskutiert, worauf der Autor behauptete, es seien die interessantesten und herausforderndsten Fragen gewesen, die er seit langem habe beantworten müssen.

Es war ein Ereignis, das die Beteiligten sicher nicht so leicht vergessen werden. Schließlich ist Silverberg einer der bekanntesten Autoren der internationalen SF-Szene. Am Rande der Veranstaltung wurden jedoch auch gewisse kritische Stimmen laut.

Der Besuch eines derart "hochrangigen" SF-Autors bei einem (bzw. zwei) lokalen SF-Klub(s) ist offenbar etwas bisher einzigartiges gewesen. Zwar haben es die Leipziger auch schon fertiggebracht, z.B. Daniel Walther und Norman Spinrad zu einem ihrer ganz normalen Treffen einzuladen, aber hier haben sie sich doch selbst übertroffen. Man fragt sich natürlich, ob es überhaupt Sinn macht, derartige finanzielle und logistische Anstrengungen zu unternehmen, wenn nicht wenigstens ein Con der Anlaß ist, so daß mehr als nur etwa 80 Fans (großzügig geschätzt) insgesamt die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen. Was der diesjährige LausitzCon an Gästen plant, nimmt sich daneben vergleichsweise bescheiden aus. Vorsichtige Schätzungen ergaben, daß es möglicherweise etwa 100 DM pro Besucher in Leipzig gekostet haben muß, Silverberg und seine Frau hierher zu bringen. Es gab anscheinend eine Reihe von Sponsoren wie die beiden großen Verlage und einen lokalen Radiosender, aber näheres zur finanziellen Absicherung wurde nicht bekannt. Den Buchmarkt mit einem Rahmenprogramm aufzuwerten, haben wir schon seit langem empfohlen. Aber muß es gleich das ganz schwere Geschütz sein?

Bei einem Bericht hierzu muß auch noch das Booklet erwähnt werden, das die Leipziger zu diesem Anlaß produzierten. In einem ausführlichen Text mit vielen Titelbildillustrationen wird darin Robert Silverbergs Leben und Werk vorgestellt. Eine Bibliographie macht mehr als die Hälfte des 40-seitigen Heftes aus. Es ist anzunehmen, daß das Heft noch vorhanden ist. Interessenten können sich an Manfred Orlowski wenden: Körnerstr. 49, 04107 Leipzig. Ich glaube, es kostet 5.- DM.

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Der Blickwinkel von weiter weg

Gedanken von EDM

Fan (wessi) kann schon ein bisschen neidisch werden. Dabei war es noch nicht einmal ein con, der da in Leipzig stattfand. Es war ein simpler sonnabendnachmittag und -abend am 24.5.1997. Im rahmen eines büchermarkts las Robert Silverberg aus seinem quasi-historischen sf-roman "Gilgamesch". Er konnte interviewed werden, und autogramme für interessenten gab es auch.

Zudem hatte er noch seine frau, Karen Haber, mitgebracht, deren "Mutanten-Zyklus" ja hierzulande auch nicht unbekannt ist.

Vorher waren die beiden bereits beim sf-club in Dresden zu gast gewesen. Einige ostdeutsche clubs haben es geschafft, ihre verbindungen zum lokalen kulturbund zu pflegen. Und Ghuseidank gibt es da noch ein paar mittel. Also kein neid! Bevor die städte damit irgendwelchen unsinn anstellen, ist es immer noch besser, es auf diese weise auszugeben, auch wenn bei einem flug von zwei personen über den großen teich ein ganz hübsches sümmchen zusammenkommt.

Gemessen an seiner größe wirkte der raum in Leipzig (in Dresden war ich nicht) gut gefüllt, obwohl es wie immer mehr hätten sein können. Es waren sogar fans aus Berlin gekommen, während der weg aus Hessen oder Niedersachsen offensichtlich wieder einmal zu weit war.

Noch sind die leipziger optimistisch, so eine veranstaltung im nächsten jahr wiederholen zu können. Es ist zu hoffen, dass es auch klappt.

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erstellt: Thomas Braatz vom FKSFL e.V.  letzte Änderung: 16.06.97