Auszug aus Kapitel 8:

... Der Schreck fährt ihm bis in die Haarwurzeln. Was ist das? So etwas ist ihm noch nie widerfahren! Noch einmal wogt eine heiße Welle in ihm auf, aber nicht die erregende Hitze der Lust, sondern blanke Angst, die wie Fieber brennt. Er wälzt sich aufstöhnend zur Seite und betastet das schleimige, winzige Etwas zwischen seinen Schenkeln. Angewidert zuckt seine Hand zurück, als sie die feuchten Schamhaare spürt.
Nun erst hört er Rutilas Weinen, nun erst wird ihm bewußt, daß es nicht nur ihn angeht, daß da noch jemand ist.
"Überall ist Jade, überall ..." Ihre Worte ersticken in einem unterdrückten Schluchzen. Hyazinth dreht den Kopf zur Seite und sieht dicht neben seinem Gesicht, wie die starr zur Decke gerichteten Augen sich unaufhörlich mit Tränen füllen, die an den Schläfen und über die Oberlippe herabrinnen.
Nein, es ist nicht Jade! will er sagen, aber sein Hals ist wie zugeschnürt. Es ist nicht Jade, es ist in mir, ich bin es!
Die Erkenntnis überkommt ihn mit vernichtender Klarheit. Noch nie hat er sich eingestanden, ein Egoist zu sein. Aber die Zärtlichkeiten vor dem großen Ereignis waren ihm immer nur der Preis, der zu entrichten ist, nie ehrliches Bedürfnis. Und danach - danach ist ein Mann nur noch müde, hat er immer gesagt. Bisher ging alles gut. Jade hat sich nie beklagt, auch für sie war alles nur Zeitvergeudung, was davor und danach geschah. Nur einmal hatte er das Gefühl, irgend etwas stimme mit ihm nicht: Das war mit Marone, die kühl und reglos unter ihm lag, wenn er im gestreckten Galopp dem Morgenrot entgegenritt, die aber immer wieder seine Hände griff und auf ihren Körper zwang, die dann vor Lust kreischte und sogar schmerzhaft zubiß, als er mechanisch und unwillig streichelte, während er Kraft für den nächsten Ritt sammelte. Damals erwachte in ihm die Ahnung, daß alles noch viel schöner sein könne, wenn auch er selbst unter der Berührung einer Hand so erschauern würde. Aber Jade brauchte und wollte das nicht. Sie kniete sich auf den Boden und reckte ihm ihr mageres Hinterteil entgegen, oder sie bog sich durch, daß die Füße beinahe den Kopf berührten, und dann klangen ihre Schreie wie das Bellen einer Hündin, und ihm gefiel es so. Dann warteten sie beide ungeduldig, aber tatenlos, daß die erstorbenen Schwingungen der Wollust wieder zu gierigen Zuckungen anschwollen, und manchmal fand Hyazinth in geradezu akrobatischen Stellungen den Weg aus dem Nirwana zurück in seine Wohnblase.
Aber nie hat er sich mit solch raubtierhafter Gefräßigkeit auf eine Frau gestürzt, wie heute auf Rutila. Und noch nie ist ihm solches wie heute widerfahren.
Sein Blick huscht beschämt über ihren Körper, aber auch schon wieder ein wenig neugierig, und er sieht die kleinen roten Flecken auf ihrer Brust, Eindrücke seiner Finger. Es muß ihr höllisch weh getan haben, denkt er und streichelt schuldbewußt die weiche Haut. Sofort richten sich die Pupillen ihrer grünen Augen auf ihn. Viel Schmerz ist in diesem Blick, aber auch ein Fünkchen Hoffnung.
"Du kannst nur mit Jade, ja?" fragt sie zaghaft. Hyazinth schüttelt ärgerlich den Kopf und läßt sich wieder zurücksinken, dabei rutscht seine Hand von ihrer Brust und liegt steif und hölzern zwischen ihnen. Rutila dreht sich auf die Seite, stützt sich auf den Ellenbogen und sieht ihn seltsam an.



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